Dominanz

„Wenn wir wirklich so unwillig oder unfähig sind, uns die Perspektive eines anderen Wesens vorzustellen, werden wir immer nur uns selbst sehen.“ 
Dr. Alexandra Horowitz


„Niemand, der das Sozialverhalten von Hunden im Detail studiert hat, könnte behaupten, dass sie keine Dominanz zeigen oder dass Dominanzhierarchien nicht existieren.“
Prof. Marc Bekoff

Ich bin dafür, Hunden alles zu geben, was sie brauchen, um sich in einer vom Menschen dominierten Welt wohl und geliebt zu fühlen.

Mir gehört das Bett. Und mir die Couch.
Die Hunde mit etwas mehr Geschmack

Viele Hundeverhaltensforscher sind sich einig, dass Hunde, wenn es um Dominanz geht, nicht versuchen, mit Menschen zu konkurrieren.

Die meisten verfügbaren Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde Verhaltensweisen der Dominanz und Unterwerfung zeigen, aber nicht, dass sie versuchen, mit uns um die Kontrolle über die häusliche Umgebung, in der sie leben, zu konkurrieren.
Bleibt die Frage, warum manche Hunde dennoch versuchen, die Herrschaft im Haus und Hof zu übernehmen.

Die Überzeugung, dass wir unsere Hunde dominieren müssen, ist weit verbreitet. Manche Trainer und Hundebesitzer treiben diese Idee auf die Spitze und befürworten körperlich aggressive Techniken wie die „Alpha-Rolle“- bei der ein ungehorsamer Hund auf den Rücken gezwungen wird -, Schnauzengriff oder Nackenfellschütteln. Der Schnauzengriff, der von den Hundehaltern oft angewendet und missbraucht wird, kommt unter den Hunden und Wölfen sogar so selten vor, dass er statistisch gar nicht ausgewertet werden kann.

Wissenschaftler des Tierverhaltens, die sich auf Hunde konzentrieren, sehen diese Techniken als Unsinn an. Es kann den Hund durcheinander bringen und alles was man dann am Ende hat, ist ein verwirrter Hund und eine ruinierte Beziehung.

Hunde sind Rudeltiere

Es ist wahr, dass sich Hunde aus Wölfen entwickelt haben, genauer genommen aus einer Spezies, die nicht mehr existiert, die Miacis. Auch ist es wahr, dass Hunde und Wölfe durch die Jahrtausende selektive Zucht nicht mehr viel gemeinsam haben. Was man aber nicht abstreiten kann, ist, dass auch Hunde obligat sozial sind, d.h. sie müssen sich zwingend einer Gemeinschaft anschließen, die hierarchisch organisiert ist. In dieser Gemeinschaft, kann es dann Hunde geben, die in der Rangfolge nach oben drängen. Diese Hunde nennt man sozial expansiv, also der unterschiedlich stark ausgeprägter Drang eines Individuums, in der Rangordnung aufzusteigen um Handlungsspielräume zu vergrößern. Diese Hunde sind aber eher in der Minderzahl. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der Stresspegel der Hunde in der Führung um einiges höher ist, als die der rangniederen Hunde. Das ist eines der Gründe, warum sich Hunde mit einer unteren Position zufrieden geben; sie ist stressfreier.

Wer ist der Chef?

Chef ist der, der nie eine Auseinandersetzung beginnt, aber jede gewinnt, in die er von jemand anderem verwickelt wurde. Und genau hier liegt die erste Fehleinschätzung seitens der Menschen; Dominanz hat nichts mit Aggression zu tun. Es ist ein Verhalten, das in der Regel am besten als kommunikative Strategie verstanden wird, die Tieren hilft, wirklich gewalttätige Konflikte zu vermeiden.

Dominante Tiere haben es nicht nötig, aggressiv zu agieren. Er kommt, sieht und nimmt – das ist die Charakteristik eines ranghohen Tieres. Dass die rangtieferen Tiere ihm diese Privilegien kampflos zugestehen hat natürlich seinen Preis. Die Gegenleistung im Rudel besteht darin, dass man den Schutz und die Sicherheit der Gruppe wahrnehmen kann. Die Aufgabe des Menschen ist es also, dem Hund zu zeigen, dass es ihm nur Vorteile bringt, wenn er ihn als Anführer anerkennt.

Wenn Hunde im häuslichen Umfeld Neigung zeigen, zu bestimmen, wer wann was machen kann, dann müssen Sie sich eingestehen, im Umgang mit dem Hund Fehler gemacht zu haben. Der Hund zweifelt an ihren Führungsqualitäten und stellt die herrschenden Strukturbedingungen infrage, was nicht missbilligt werden darf – denn genau das ist Hundepsychologie.

Anzeichen der Dominanz

Obwohl es etwas kompliziert klingt, ist es für den Hundehalter durchaus wichtig, die Unterscheidung zwischen der formalen und situativen Dominanz zu kennen. Die situative Dominanz ist nicht an die Langzeitrangordnung gekoppelt. Hier geht es eher darum, dass der Hund mit bestimmten Verhaltensweisen zeigt, dass er etwas nicht möchte. Diese sind nicht nur vom Ranghöheren zum Rangtieferen zu beobachten sondern können auch situationsbedingt vom Rangtieferen ausgehend nach oben gezeigt werden. Der Mensch hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass er als Führung nicht anerkannt wird, wenn der Hund ihm mal mitteilt, dass ihm gerade in dem Moment etwas nicht gefällt, z.B. das Kommando Platz und Bleib bei Schnee und Sturm.

Zu den häufigsten Anzeichen für dominantes Hundeverhalten gehören:

– Widerstand gegen Befehle
– Feindselige Reaktion auf Autorität und Blickkontakt
– Lebensmittel oder Spielzeug bewachen
– Beim Spaziergang Richtung bestimmen
– Ignoranz
– Individualdistanz; wer darf wem wie nahe kommen, wer darf wen stören
– Bewegungseinschränkung
– Anspruch und Bewachen bestimmter Liegeplätze, einzelner Objekte

Ein Hund, der gerne im Bett schläft oder es sich auf dem Sofa gemütlich macht, ist noch lange nicht dominant. Wenn Hygienemaßnahmen eingehalten werden und der Hund keine anderen Verhaltensauffälligkeiten zeigt, ist das in Ordnung.

Dominantes Hundeverhalten kann vor allem für kleine Kinder gefährlich werden. Kinder sollten niemals ohne Aufsicht mit dem Hund alleine gelassen werden, auch nicht für eine kurze Zeit!

Es schadet nicht zu erkennen, dass der Mensch eigentlich ständig dominiert

Ich glaube, dass für viele Menschen die größte Herausforderung das Wort Dominanz selbst ist. Es ist möglicherweise zu belastet. Dennoch möchte ich festhalten, dass es immer noch wertvoll ist, über die Beziehungen zwischen Hund und Mensch zu sprechen, so wie sie sind, sowohl weil es uns helfen kann, die Art und Weise wie wir mit ihnen leben zu verbessern, als auch weil es sich lohnt, ehrlich darüber zu sein, was „mit ihnen leben“ wirklich bedeutet.
Wenn der Mensch seinen Willen über den Hund durchsetzt, dann ist das Dominanz. Wenn der Mensch dem Hund über den Kopf oder Rücken streichelt, wenn er das Lecken in der Nähe des Mundes akzeptiert, sich größer macht und ihn an der Leine führt, auch das ist Dominanz.
Eine Dominanzbeziehung zu etablieren ist nicht schlimm sondern nötig und hilfreich, für beide Seiten. Und es ist immer noch den Schock- und Stachelhalsbändern vorzuziehen, die dafür bekannt sind, Stress, Unbehagen und Schmerzen zu verursachen und möglicherweise langfristige, negative Auswirkungen auf Hunde zu haben.

Unabhängig davon, ob unsere Beziehungen zu ihnen von Dominanz geprägt sind oder nicht, liegt es unweigerlich in unserer Verantwortung, ihnen zu helfen, in Umgebungen zu gedeihen, die „menschlich dominiert“ sind. Wir wissen immer noch am besten, was für sie gut ist was nicht. Klare Regeln und Grenzen sind auch hier ein muss.

Bitte holen Sie sich professionelle Unterstützung, wenn Sie das Gefühl haben, dass das Problem fest verankert ist oder Sie Schwierigkeiten haben, es zu lösen. Wenden Sie sich hierzu bitte an einen örtlichen Kollegen oder auch gerne an mich.

Nach oben scrollen